Auf den Spuren der "gefiederten Schlange" - Quetzalcóatl
Die Sonnenpyramide (Pirámide del Sol) von Teotihuacán - "der Ort, wo man zum Gott wird" - liegt ca. 50 Kilometer nordöstlich von (Ciudad de) México entfernt, zählt als die zweitgrößte Pyramide Mexikos und die drittgrößte der Erde. Ihre Grundfläche hat Ausmaße von 222 mal 225 Meter, und sie ist 63 Meter hoch, somit noch gewaltiger als die Cheops Pyramide in Ägypten und steckt auch noch heute voller Rätsel.
Teotihuacán gehört zu den ältesten Kulturen und Stätten Mexikos, sie wurde so um 150 v.Chr. gegründet und in den darauf folgenden Jahrhunderten zu einem der einflussreichsten und mächtigsten Zentren Mesoamerikas. Von dort aus wurde der Handel mit Völkern nah und weit entlegener Gebiete betrieben.
Neben ihr findet sich auch noch der Palast der Schlange und die Mondpyramide, die vermutlich während des 1. und 2. Jh. n.Chr. entstanden ist. Die ca. 3-4 km lange Straße der Toten (Calzada de los Muertos) wurde nach dieser Zeit angelegt und galt als Hauptachse der Stadt.
Kosmische Strahlung macht Sonnenpyramide transparent
Die 2000 Jahre alte Sonnenpyramide von Teotihuacan im Herzen Mexikos birgt noch viele Rätsel. Mit Hilfe der kosmischen Hintergrundstrahlung machen sich Forscher nun auf die Jagd nach verborgenen Grabkammern.
Die fast 2000 Jahre alte Sonnenpyramide von Teotihuacan ist eines der berühmtesten Baudenkmäler Mexikos. Jahr für Jahr strömen Heerscharen von Besuchern zu der rund 50 Kilometer nordöstlich von Mexiko-Stadt gelegenen Ruinenstätte, um dort die Zeugnisse einer versunkenen Kultur zu bestaunen. Zu Frühlingsbeginn steigen auch viele Esoteriker die steilen Stufen der 63 Meter hohen Pyramide hinauf, weil sie sich von den Sonnenstrahlen hoch oben frische Lebensenergie versprechen.
Kosmische Strahlen helfen, verborgene Grabkammern aufzuspüren
Eine Gruppe mexikanischer Wissenschaftler betrachtet die gewaltige Pyramide derzeit lieber von unten. Ihr Einsatzort ist eine in rund acht Metern Tiefe nahe des Mittelpunkts der Pyramide gelegene Höhle, in die sie über einen engen unterirdischen Gang gelangen. Der Sonnenstand interessiert sie dort nicht, denn sie wollen in der feuchten Finsternis die so genannte kosmische Strahlung messen. Diese besteht aus einem "Hagel" von Elementarteilchen aus dem Weltall, der unablässig aus allen Richtungen auf die Erde einprasselt. Auf diese Weise versuchen Physiker und Archäologen der Autonomen Nationaluniversität Mexikos (UNAM) gemeinsam, dem Bauwerk seine Geheimnisse zu entlocken. Gesucht werden versteckte Grabkammern.
Es ist, als würde der steinerne Koloss einer Röntgenuntersuchung unterzogen. Doch arbeiten die Wissenschaftler nicht mit Röntgenstrahlen, sondern sie haben in der Höhle Messgeräte zum Aufspüren so genannter Myonen installiert. Wie der UNAM-Physiker Ernesto Belmont erläutert, handelt es sich um Elementarteilchen, die den Elektronen nahe verwandt sind, und in der kosmischen Strahlung sehr häufig vorkommen. Sie durchdringen alles, was sich ihnen in den Weg stellt und werden nur von massiven Gesteinsmassen abgebremst.
Myonen werden je nach Pyramidenbeschaffenheit unterschiedlich abgebremst
Falls die Sonnenpyramide in ihrem Inneren ein monolithischer Block sei, würden die aus allen Richtungen eindringenden Myonen gleichmäßig gebremst, erläutert Belmont. Gebe es hingegen irgendwo einen Hohlraum, dann würden die von dort kommenden Myonen mit einer etwas stärkeren Intensität auf die Messgeräte treffen, erklärt der Physiker. Dort könnten die Archäologen dann gezielt nach Grabkammern suchen.
Die Mexikaner greifen auf ein von dem amerikanischen Physiknobelpreisträger Luis Walter Alvarez (1911-1988) entwickeltes Verfahren zurück. Alvarez hatte Ende der sechziger Jahre mit Hilfe eines Myonenmessgerätes die Chephrenpyramide in Ägypten untersucht. Er war damals zu dem Schluss gekommen, dass es in ihr keine unentdeckten Grabkammern gab.
Die Stadt Teotihuacan birgt noch viele Rätsel
Die am Projekt beteiligten Archäologen erhoffen vor allem neue Erkenntnisse über die Regierungsform von Teotihuacan. Die Stadt war in ihrer Blütezeit um die Mitte des ersten Jahrtausends nach Christus mit rund 150 000 Einwohnern eine der größten der damaligen Welt. Es gab dort prächtige Villen und Paläste, kilometerlange Avenidas und ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem. Im achten Jahrhundert wurde Teotihuacan aufgegeben und zerstört, möglicherweise nach sozialen Unruhen oder Invasionen kriegerischer Nomaden. Die Azteken, die bei Ankunft der Spanier in Mexiko herrschten, fanden die Stadt nur noch in Ruinen vor und gaben ihr den heutigen Namen.
Bisher ist ungewiss, ob die Sonnenpyramide, die im ersten Jahrhundert nach Christus über der damals bereits existierenden Höhle gebaut wurde, als Begräbnisstätte gedient hat. Unter der benachbarten Mondpyramide wurde in jüngster Zeit eine größere Zahl von Skeletten ausgegraben, darunter aber anscheinend keine ehemaligen Herrscher. "Vielleicht werden wir gar nichts finden, oder wir finden einen reichen Schatz", sagt Belmont. "Wir schließen nichts aus."
Von Klaus Blume, DPA Quelle
Links:
Proyecto Muongrafía en Teotihuacan - La Pirámide del Sol
Universidad Nacional Autónoma de México
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